Ehegattennotvertretung: Das sollten Sie wissen

Isabell Jungesblut

Ehegattennotvertretung: Das sollten Sie wissen

Isabell Jungesblut
Wenn plötzlich ein Notfall eintritt und ein geliebter Mensch bewusstlos wird oder nicht mehr selbst entscheiden kann, ist das für Angehörige eine große Belastung. Bis Anfang 2023 konnten Ehepartner in solchen Situationen nur mit einer Vorsorgevollmacht rechtlich wirksam Entscheidungen füreinander treffen. Seit dem 1. Januar 2023 gilt jedoch ein neues Gesetz: das Ehegattennotvertretungsrecht. Es soll Ehepaare in medizinischen Krisen entlasten und schnelle Entscheidungen ermöglichen.

Was ist das Ehegattennotvertretungsrecht?

Das Ehegattennotvertretungsrecht, festgehalten in § 1358 BGB, erlaubt es Ehepartnern, sich in einem medizinischen Notfall gegenseitig für bis zu sechs Monate zu vertreten.

Das bedeutet:

  • Entscheidungen über Untersuchungen und Behandlungen
    Der gesunde Ehepartner darf allen notwendigen medizinischen Maßnahmen zustimmen oder sie ablehnen.

  • Abschluss und Durchsetzung von Behandlungsverträgen
    Er kann Verträge mit Krankenhäusern, Reha-Kliniken und anderen medizinischen Einrichtungen abschließen und durchsetzen.

  • Zustimmung zu bestimmten freiheitsentziehenden Maßnahmen (§ 1831 Abs. 4 BGB)
    Dazu zählen zum Beispiel Bettgitter oder Fixierungen, wenn sie medizinisch notwendig sind. Diese Maßnahmen dürfen nicht länger als sechs Wochen dauern.

  • Regelung von Ansprüchen und Zahlungen
    Der Ehepartner darf Forderungen des erkrankten Partners gegenüber Dritten geltend machen, Zahlungen anfordern oder Ansprüche direkt an Leistungserbringer abtreten, damit Rechnungen beglichen werden können. Dies bezieht sich ausschließlich auf Forderungen im Zusammenhang mit medizinischer Versorgung und umfasst keine allgemeine Vermögensverwaltung.

Dieses Recht kann automatisch wirksam werden, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind und kann in einer Ausnahmesituation sehr entlastend sein.

Voraussetzungen für die Ehegattennotvertretung

Gesetzbuch zur Ehegattennotvertretung
Das Vertretungsrecht ist an klare Bedingungen geknüpft. Es gilt nicht automatisch in jeder Situation. In folgenden Situationen kann es angewendet werden:

  1. Akute Entscheidungsunfähigkeit:
    Das Recht greift nur, wenn ein Ehepartner akut nicht einwilligungsfähig ist und seine gesundheitlichen Angelegenheiten aufgrund von Bewusstlosigkeit, Krankheit oder Behinderung nicht selbst regeln kann.

  2. Kein dauerhaftes Getrenntleben:
    Ehepartner dürfen nicht getrennt leben. Eine Ausnahme gilt, wenn ein Partner wegen Pflegebedürftigkeit in einem Pflegeheim wohnt.

  3. Keine bestehende Vorsorgevollmacht oder Betreuung:
    Wenn eine Vorsorgevollmacht mit anderen Regelungen existiert oder ein Betreuer vom Gericht eingesetzt wurde, hat diese Regelung Vorrang. Liegt eine Patientenverfügung vor, in der Festlegungen für die konkrete Behandlungssituation getroffen wurden, bleiben diese verbindlich, auch wenn ein Ehegattennotvertretungsrecht besteht.

  4. Keine schriftliche Ablehnung:
    Der erkrankte Partner kann das Vertretungsrecht vorher ausdrücklich ablehnen. Diese Ablehnung muss schriftlich vorliegen.

Ablauf in der Praxis: So funktioniert das Ehegattennotvertretungsrecht

Damit das Ehegattennotvertretungsrecht rechtssicher ausgeübt werden kann, muss der behandelnde Arzt zunächst alle gesetzlichen Voraussetzungen prüfen. Er stellt sicher, dass keine Ausschlussgründe vorliegen, wie zum Beispiel eine rechtliche Betreuung, eine bestehende Vorsorgevollmacht, eine Ablehnung oder ein dauerhaftes Getrenntleben der Ehepartner. Wenn alle Bedingungen erfüllt sind, erstellt der Arzt eine schriftliche Bestätigung über das Vertretungsrecht.

Diese Bestätigung enthält das Datum, ab dem das Notvertretungsrecht gilt. Damit wird eindeutig der Beginn der Vertretungsbefugnis dokumentiert. Sie wird dem vertretenden Ehepartner ausgehändigt, damit dieser sie bei weiteren Terminen in Kliniken, Arztpraxen oder Pflegeeinrichtungen vorlegen kann. So wird sichergestellt, dass alle beteiligten Fachkräfte und Einrichtungen den rechtlichen Status kennen und respektieren.

Das Notvertretungsrecht ist zeitlich begrenzt und gilt für maximal sechs Monate ab Ausstellung der Bestätigung. Wenn über diesen Zeitraum hinaus eine rechtliche Vertretung erforderlich ist, schaltet sich das Betreuungsgericht ein. Dort wird geprüft, ob ein gesetzlicher Betreuer bestellt werden muss. In der Regel versucht das Gericht, dafür eine Person aus dem engsten Familienkreis zu gewinnen, sodass auch in einer länger andauernden Krise die Interessen des betroffenen Partners bestmöglich gewahrt bleiben.

Wichtig zu wissen: Grenzen und Besonderheiten

Obwohl das Ehegattenmotvertretungsrecht ein wichtiges Sicherheitsnetz bietet, gibt es klare Grenzen:

  • Es ersetzt keine umfassende Vorsorgevollmacht.
  • Es greift nicht, wenn bereits ein Betreuer bestellt ist.
  • Es gilt nicht für unverheiratete Paare oder getrennt lebende Ehepartner (Ausnahme: Pflegeheim).

Ehegattennotvertretungsrecht und Vorsorgevollmacht im Vergleich

Eine Vorsorgevollmacht ist trotz des Ehegattennotvertretungsrechts weiterhin von großer Bedeutung. Mit ihr kann schon frühzeitig festgelegt werden, wer im Ernstfall wichtige Entscheidungen treffen darf – und das muss nicht zwangsläufig der Ehepartner sein.

Darüber hinaus umfasst eine Vorsorgevollmacht weit mehr als medizinische Fragen. Sie ermöglicht auch rechtlich und finanziell verbindliche Regelungen, zum Beispiel rund um Verträge, Bankgeschäfte oder behördliche Angelegenheiten.

Ein weiterer Vorteil: Die Vorsorgevollmacht gilt dauerhaft. Sie ist nicht zeitlich auf sechs Monate begrenzt wie das Ehegattennotvertretungsrecht, sondern bietet langfristige Sicherheit.

Das Ehegattennotvertretungsrecht ist daher in erster Linie als Notfalllösung gedacht. Es gibt Ihnen und Ihrem Partner Handlungsspielraum, wenn keine Vollmacht vorliegt – ersetzt diese aber nicht vollständig. Wer langfristig auf Nummer sicher gehen möchte, sollte frühzeitig eine Vorsorgevollmacht erstellen.

Praktische Tipps für Angehörige

Es ist hilfreich, einen gut sortierten Notfallordner anzulegen und allen wichtigen Unterlagen griffbereit zu haben. Dazu gehören Ausweise, Versicherungskarten, Patientenverfügungen oder Vollmachten und gegebenenfalls weitere medizinische Dokumente. So können Sie im Notfall schnell handeln und müssen nicht lange suchen.

Auch wenn es das Ehegattennotvertretungsrecht gibt, ist eine Vorsorgevollmacht weiterhin sehr empfehlenswert. Mit ihr schaffen Sie langfristige Sicherheit und vermeiden Unsicherheiten, falls es einmal um mehr als nur medizinische Entscheidungen geht.

Sprechen Sie außerdem offen mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten über die Situation. Lassen Sie sich die schriftliche Bestätigung des Vertretungsrechts unbedingt aushändigen und nehmen Sie diese bei allen weiteren Arztbesuchen oder Klinikaufenthalten mit.

Scheuen Sie sich nicht, Beratungsangebote wahrzunehmen: Pflegestützpunkte, Betreuungsvereine und andere Fachstellen können Sie umfassend unterstützen, offene Fragen klären und helfen, die passende Vorsorge für Ihre Familie zu treffen.
Ein älteres Paar sitzt bei der Beratung für Ehegattennotvertretung

Fazit: Sicherheit für Ehepaare im Ernstfall

Das Ehegattennotvertretungsrecht gibt Ehepartnern die Möglichkeit, in medizinischen Notfällen schnell zu handeln, auch ohne vorherige Vollmacht. Es ist jedoch nur für eine Übergangszeit gedacht und ersetzt keine langfristige Vorsorge. Wer für alle Fälle abgesichert sein möchte, sollte frühzeitig über Vollmachten und Patientenverfügungen nachdenken.
So gilt: Auch wenn nichts vorbereitet wurde, bleibt niemand ohne Unterstützung – Ärzte und Gerichte sorgen dafür, dass die Interessen des betroffenen Partners gewahrt werden.

Ehegattennotvertretung: Häufig gestellte Fragen

Gilt das Ehegattennotvertretungsrecht auch für unverheiratete Paare?

Nein, das Recht gilt nur für Ehepartner. 

Gilt das Ehegattennotvertretungsrecht auch für alle anderen Lebensbereiche?

Nein. Das Ehegattennotvertretungsrecht gilt ausschließlich für medizinische und gesundheitliche Angelegenheiten – zum Beispiel für Entscheidungen über Untersuchungen, Behandlungen oder Krankenhausaufenthalte. Für Vermögensfragen, Verträge oder Behördenangelegenheiten ist es nicht gültig. Hier braucht es eine Vorsorgevollmacht oder eine gerichtlich angeordnete Betreuung.

Was passiert, wenn die Ehepartner getrennt leben?

In diesem Fall entfällt das Vertretungsrecht – außer ein Partner lebt aufgrund von Pflegebedürftigkeit im Heim.

Muss ich trotz des Ehegattennotvertretungsrechts eine Vorsorgevollmacht erstellen?

Ja, unbedingt. Die Vorsorgevollmacht bietet deutlich mehr Sicherheit und Flexibilität. Sie gilt dauerhaft, ist nicht auf sechs Monate begrenzt und kann auch rechtliche und finanzielle Bereiche umfassen, die das Ehegattennotvertretungsrecht nicht abdeckt.

Wie lange gilt das Ehegattennotvertretungsrecht?

Es gilt maximal sechs Monate ab dem Zeitpunkt der ärztlichen Bestätigung. Wenn danach weiterhin eine rechtliche Vertretung notwendig ist, wird das Betreuungsgericht eingeschaltet und entscheidet über eine gesetzliche Betreuung.

Welche Rolle spielt eine Patientenverfügung?

Eine Patientenverfügung behält immer Vorrang. Wenn darin konkrete Behandlungswünsche festgelegt sind, sind diese für Ärzte und Angehörige bindend – unabhängig vom Ehegattennotvertretungsrecht.
Zur Autorin

Isabell Jungesblut

EXAMINIERTE GESUNDHEITS- UND KRANKENPFLEGERIN
Als Expertin für Gesundheits- und Krankenpflege bringt Isabell Jungesblut umfangreiche Erfahrungen aus der Akutversorgung aber auch aus der vollstationären Langzeitversorgung mit. Hier im Pflege ABC teilt sie ihr umfangreiches Wissen mit Ihnen, um die Pflege für Sie zu erleichtern.
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