Dekubitus: Risikofaktoren, Behandlung, Prophylaxe

Isabell Jungesblut

Dekubitus: Risikofaktoren, Behandlung, Prophylaxe

Isabell Jungesblut
Wenn Sie jemanden pflegen, der viel liegt oder sitzt, wissen Sie: Die Haut braucht ganz besonders viel Aufmerksamkeit.
Denn je länger eine Körperstelle belastet wird, desto größer ist die Gefahr, dass sich ein Dekubitus - also ein Druckgeschwür - entwickelt.

Für Sie als pflegende Person heißt das oft: Sie tragen eine große Verantwortung – aber Sie sind nicht allein.
Damit Sie gut vorbereitet sind, erfahren Sie in diesem Beitrag, wie ein Dekubitus entsteht, worauf Sie besonders achten sollten und wie Sie mit gezielten Maßnahmen vorbeugen können.

Was ist ein Dekubitus? – Definition und Entstehung

Ein Dekubitus, auch Druckgeschwür oder Wundliegegeschwür genannt, ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut und des darunterliegenden Gewebes, die durch anhaltenden Druck oder Druck in Verbindung mit Scherkräften entsteht.

Wenn die Belastung zu lange anhält – etwa beim Liegen, Sitzen oder durch schlecht sitzende Kleidung oder Verbände – werden die feinen Blutgefäße zusammengedrückt. Dadurch gelangt zu wenig Sauerstoff und zu wenig Nährstoffe ins Gewebe. Gleichzeitig können Stoffwechselprodukte nicht mehr richtig abtransportiert werden.
Ohne Entlastung kann sich so Schritt für Schritt eine tiefergehende Wunde entwickeln, die nur schwer heilt.
Besonders gefährdet sind Körperstellen über knöchernen Vorsprüngen – etwa das Steißbein und Gesäß, die Fersen, Ellenbogen, Schultern, der Hinterkopf und die Ohren.

Auch bei sitzenden Personen sind die Sitzbeinhöcker stark gefährdet.
Je weniger Bewegung möglich ist, desto größer ist das Risiko, dass sich eine Druckstelle bildet.

Die Stadien eines Dekubitus – vom ersten Anzeichen bis Grad 4

Person hält sich den Arm mit Dekubitus
Ein Dekubitus wird in vier Stadien unterteilt. Diese Einteilung hilft, das Ausmaß des Schadens richtig einzuschätzen und die passende Behandlung einzuleiten.

Dekubitus Grad 1
Zu Beginn ist die Haut gerötet, aber noch intakt. Ein wichtiges Erkennungszeichen ist die nicht wegdrückbare Rötung – bleibt die Haut also auch nach leichtem Druck rot, liegt bereits eine Schädigung vor. Betroffene Stellen fühlen sich oft warm, hart oder empfindlich an. Jetzt ist Handeln wichtig: Nur durch schnelle Druckentlastung kann eine Verschlimmerung verhindert werden.

Tipp: Mit dem sogenannten Fingertest lässt sich prüfen, ob die Rötung harmlos ist oder nicht. Drücken Sie die betroffene Stelle kurz mit dem Finger ein. Wird sie kurzzeitig hell, ist sie wegdrückbar – kein Dekubitus. Bleibt sie rot, liegt wahrscheinlich ein Dekubitus Grad 1 vor, und ein Arzt sollte hinzugezogen werden.

Dekubitus Grad 2 – die Haut ist verletzt
In diesem Stadium sind die obersten Hautschichten bereits beschädigt. Es zeigt sich eine offene, nässende Wunde oder Blase, die leicht entzündlich und sehr schmerzhaft ist.

Dekubitus Grad 3 – tiefere Gewebeschäden
Hier ist die Schädigung bis ins Unterhautfettgewebe fortgeschritten.
Es entsteht ein tiefer Wundkrater, manchmal mit abgestorbenem Gewebe - sogenannten Nekrosen.

Dekubitus Grad 4 – schwerste Form
Bei einem Dekubitus Grad 4 sind alle Hautschichten zerstört und oft liegen Muskeln, Sehnen oder sogar Knochen frei. Diese Wunden sind infektionsgefährdet und brauchen eine lange, intensive Behandlung.
Manchmal lässt sich nicht auf den ersten Blick erkennen, wie tief eine Druckwunde tatsächlich ist.

Wenn die betroffene Stelle mit Belägen oder festem Schorf bedeckt ist, spricht man von einem nicht klassifizierbaren Dekubitus.
In diesem Fall ist zwar bereits Haut- oder Gewebe abgestorben, doch die tatsächliche Tiefe der Wunde bleibt unklar, solange das abgestorbene Gewebe nicht entfernt wurde.

Typische Risikofaktoren für einen Dekubitus

Ein Dekubitus entsteht selten durch eine einzige Ursache – meist kommen mehrere Risikofaktoren zusammen, die sich gegenseitig verstärken. Neben anhaltendem Druck spielen auch Scherkräfte eine wichtige Rolle. Sie entstehen, wenn sich Haut- und Gewebeschichten gegeneinander verschieben – etwa beim Hochziehen im Bett oder beim Abrutschen in der Sitzposition. Dadurch wird die Durchblutung zusätzlich beeinträchtigt, und das Risiko für Hautschäden steigt deutlich.

Zu den häufigsten Risikofaktoren zählen:

  • Eingeschränkte Bewegung: Nach Operationen, bei Lähmungen oder starker Schwäche fällt es vielen schwer, ihre Position regelmäßig zu verändern. So entsteht an bestimmten Stellen anhaltender Druck, der die Haut belastet.

  • Untergewicht oder Mangelernährung: Fehlt Fett- oder Muskelgewebe, kann der Körper Druck und Scherkräfte schlechter abfedern. Gleichzeitig heilen Wunden langsamer.

  • Hohes Alter und allgemeiner Gesundheitszustand: Mit zunehmendem Alter verändert sich die Haut – sie wird dünner, trockener und weniger elastisch. Auch die Durchblutung und Regenerationsfähigkeit nehmen ab. Gleichzeitig schwächen chronische Erkrankungen, Erschöpfung oder eine allgemein reduzierte körperliche Verfassung die Fähigkeit des Körpers, auf Druckbelastung zu reagieren und Heilungsprozesse einzuleiten. Dadurch können selbst kleine Hautschäden schneller zu größeren Wunden werden.

  • Durchblutungsstörungen: Erkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Probleme vermindern die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung der Haut.

  • Empfindliche oder vorgeschädigte Haut: Alter, bestimmte Krankheiten oder ungeeignete Pflegeprodukte können die natürliche Schutzbarriere schwächen.

  • Feuchtigkeit durch Inkontinenz oder Schwitzen: Wenn die Haut dauerhaft feucht ist, wird sie aufgeweicht und anfälliger für Verletzungen.

  • Eingeschränktes Schmerz- oder Druckempfinden: Menschen mit Bewusstseinsstörungen oder Nervenschäden nehmen Druck oder Scherkräfte oft nicht rechtzeitig wahr.

Je mehr dieser Faktoren zusammentreffen, desto größer ist die Gefahr, dass sich eine Druckstelle bildet und daraus ein Dekubitus entsteht.

Dekubitus-Behandlung – so wird die Wunde versorgt

Ein Dekubitus braucht immer professionelle Behandlung. Ärztinnen und Ärzte sowie speziell geschulte Wundexperten entscheiden über die passende Therapie, reinigen die Wunde fachgerecht und kontrollieren regelmäßig den Heilungsverlauf.
Doch auch Sie als pflegende Angehörige spielen eine wichtige Rolle – denn mit Ihrer Unterstützung im Alltag tragen Sie entscheidend dazu bei, dass die Haut geschont wird und die Wunde heilen kann.

Was Fachkräfte übernehmen:


  • Fachgerechte Wundversorgung: Ärzte oder Wundexperten übernehmen die Reinigung, Versorgung und Dokumentation der Wunde. Sie wählen geeignete Wundauflagen, Verbandsmaterialien und Behandlungsintervalle aus – abgestimmt auf den jeweiligen Heilungsstand.

  • Beobachtung und Anpassung: Sie beurteilen regelmäßig die Wundheilung, erkennen Infektionszeichen frühzeitig und passen die Behandlung bei Bedarf an.

  • Beratung und Anleitung: Das Fachpersonal zeigt Ihnen, worauf Sie im Alltag achten können, wie Sie die Haut entlasten und pflegen – und wann ärztliche Hilfe notwendig ist.

Was Sie als pflegende Angehörige tun können:

  • Druckentlastung im Alltag: Unterstützen Sie die pflegebedürftige Person dabei, regelmäßig die Position zu wechseln. Schon kleine Lageveränderungen helfen, Druck zu verringern.Nutzen Sie – nach Rücksprache mit Fachkräften – geeignete Hilfsmittel wie Lagerungskissen oder druckverteilende Sitzauflagen. Diese Produkte entlasten gefährdete Körperstellen und unterstützen die Heilung.

  • Enge Zusammenarbeit: Halten Sie regelmäßig Rücksprache mit dem Fachpersonal, insbesondere über die Lagerungsintervalle oder über Veränderungen an der Wunde. Auch kleine Auffälligkeiten, zum Beispiel Geruch, Wärme, veränderte Farbe oder Flüssigkeitsaustritt sollten sofort weitergegeben werden.

  • Hygiene und Sauberkeit: Achten Sie auf saubere Bettwäsche, weiche Kleidung ohne Falten und ein trockenes Hautmilieu – vor allem bei Inkontinenz. Vermeiden Sie eigene Behandlungsversuche oder Salben, solange keine Fachperson sie ausdrücklich empfohlen hat.

  • Ernährung und Flüssigkeit: Achten Sie darauf, dass Ihr Angehöriger genügend Eiweiß, Vitamine (besonders C und E) und Zink erhält. Diese Nährstoffe helfen dem Körper, neue Hautzellen zu bilden und die Wunde heilen zu lassen.Wenn möglich, sollte die pflegebedürftige Person ausreichend trinken – nach ärztlicher Rücksprache meist 1,5–2 Liter pro Tag.

  • Achtsame Beobachtung und Dokumentation: Kontrollieren Sie regelmäßig sowohl die bestehende Wunde als auch andere gefährdete Hautstellen – besonders am Steißbein, an den Fersen und am Gesäß. So lassen sich Veränderungen frühzeitig erkennen und neue Druckstellen verhindern. Notieren Sie Auffälligkeiten am besten schriftlich – zum Beispiel im Pflegetagebuch oder in einem kurzen Verlaufsprotokoll. So können Pflegefachkräfte die Entwicklung besser einschätzen und gezielt reagieren.

Dekubitus-Prophylaxe – so beugen Sie vor

Die beste Behandlung ist immer die, die man gar nicht braucht. Genau das gilt auch für den Dekubitus: Wenn Sie rechtzeitig vorbeugen, kann ein Druckgeschwür in vielen Fällen komplett vermieden werden.
Eine gute Dekubitus-Prophylaxe schützt die Haut, fördert die Durchblutung und sorgt dafür, dass gefährdete Körperstellen gar nicht erst geschädigt 

Bewegung und Lagerung

Bewegung ist die wirksamste Form der Vorbeugung.
Wenn sich die pflegebedürftige Person noch selbständig bewegen kann, sollte sie regelmäßig ihre Position verändern – beim Sitzen, Liegen oder auch im Schlaf. Schon kleine Bewegungen entlasten die Haut und regen die Durchblutung an.
Bei Menschen, die bettlägerig oder stark in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, übernehmen pflegende Angehörige oder Pflegekräfte das Umlagern – in individuell angepassten Abständen.

Bewährt haben sich unter anderem:
  • 30°-Lagerung: eine sanfte Schräglage, die Schultern und Steißbein entlastet,

  • 135°-Lagerung,

  • Fersenfreilagerung mit weichen Kissen,

  • oder auch die Bauchlage, sofern sie angenehm und medizinisch unbedenklich ist.

Auch im Sitzen gilt:

Die Position regelmäßig verändern, Druckspitzen vermeiden und das Gewicht immer wieder leicht verlagern – das beugt Wundstellen zuverlässig vor.
Achten Sie beim Umlagern darauf, die Haut nicht zu ziehen oder zu reiben. So vermeiden Sie sogenannte Scherkräfte, die das Gewebe zusätzlich belasten können.

Mein Tipp an Sie: Wie Sie Lagerungstechniken sicher anwenden und die Mobilität im Alltag fördern können, erfahren Sie im kostenlosen Videokurs Mobilität und Lagerungen”. Die Kosten dafür werden für gesetzlich Versicherte zu 100% von der gesetzlichen Pflegekasse übernommen.

Hautpflege und Beobachtung

Eine gesunde Haut ist die wichtigste Schutzbarriere gegen Druckstellen.
Nutzen Sie milde, pH-neutrale Reinigungsprodukte, trocknen Sie die Haut sanft durch Abtupfen und pflegen Sie sie anschließend mit einer dünnen Schicht rückfettender Lotion.
Bei Inkontinenz helfen spezielle Hautschutzcremes, die die Hautbarriere stabil halten und Reizungen verhindern.

Feuchtigkeit, Reibung und Falten in Kleidung oder Bettwäsche sollten unbedingt vermieden werden – sie fördern die Entstehung von Druckstellen.

Wichtig: Auf Puder und alkoholhaltige Lotionen bitte verzichten – sie trocknen die Haut aus und machen sie anfälliger für Verletzungen.

Beobachten Sie die Haut täglich – am besten immer zu festen Zeiten, etwa beim Waschen oder Umkleiden. So lassen sich Veränderungen frühzeitig erkennen und gezielt verhindern.

Hilfsmittel, die unterstützen

Die richtige Ausstattung kann einen großen Unterschied machen.
Besonders hilfreich sind:

  • Antidekubitus-Matratzen oder Wechseldrucksysteme,
  • Sitzkissen mit Gel- oder Luftkammern,
  • Fersenfreilagerungshilfen,
  • Lagerungskissen
  • sowie Rutsch- oder Transferhilfen, um beim Umlagern Scherkräfte zu vermeiden.

Viele dieser Produkte werden von der Pflegekasse übernommen. Lassen Sie sich am besten im Sanitätshaus oder bei einer Pflegeberatungsstelle beraten, welche Hilfsmittel im individuellen Fall sinnvoll sind.

Ernährung, Flüssigkeit und Durchblutung

Auch von innen lässt sich viel tun: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Eiweiß, Vitaminen (zum Beispiel C und E) und Zink unterstützt die Regeneration der Haut und stärkt das Gewebe. Regelmäßiges Trinken – sofern medizinisch erlaubt – sowie leichte Bewegungsübungen fördern zusätzlich die Durchblutung. 

Schulung, Dokumentation und Früherkennung

Lassen Sie sich von Pflegefachkräften zeigen, wie Sie richtig lagern, Hilfsmittel einsetzen und die Haut beurteilen können. So gewinnen Sie Sicherheit im Pflegealltag und können frühzeitig reagieren. Beobachten und dokumentieren Sie die Haut täglich – zum Beispiel im Pflegetagebuch. Rötungen, Verhärtungen oder kleine Blasen sollten Sie sofort ernst nehmen. Notieren Sie Auffälligkeiten, um Veränderungen über mehrere Tage hinweg besser einschätzen zu können. So lässt sich früh handeln, bevor eine ernsthafte Wunde entsteht.

Fazit: Früh erkennen, gezielt handeln, liebevoll pflegen

Ein Dekubitus kann schwerwiegende Folgen haben – ist aber in vielen Fällen vermeidbar. Wenn Sie frühzeitig auf Risikofaktoren achten, die Haut regelmäßig beobachten und Bewegung sowie gute Ernährung fördern, leisten Sie einen entscheidenden Beitrag zur Hautgesundheit.
Und wenn doch eine Druckstelle entsteht: Zögern Sie nicht, sondern holen Sie sich Unterstützung von Ärzten, Pflegefachkräften oder Wundexperten. Gemeinsam lässt sich viel erreichen. 

Dekubitus: Häufig gestellte Fragen

Welche Körperstellen sind am meisten gefährdet?

Vor allem Gesäß, Steißbein, Fersen, Schultern und Ohren. Bei sitzenden Personen auch der Rücken oder die Sitzbeinhöcker.

Wann sollte ärztliche Hilfe geholt werden?

Bereits bei anhaltender Rötung oder Hautverletzung sollte ein Arzt informiert werden – je früher, desto besser.

Welche Symptome zeigt ein beginnender Dekubitus?

Im Pflegealltag spricht man meist von Anzeichen statt von Symptomen – gemeint sind die ersten sicht- oder spürbaren Veränderungen der Haut. Typisch ist eine Rötung, die auch nach Entlastung nicht verschwindet. Die Haut kann sich warm, verhärtet, geschwollen oder empfindlich anfühlen; manchmal berichten Betroffene auch über Brennen oder Schmerzen. Im weiteren Verlauf können Blasen, nässende Stellen oder dunkle Verfärbungen entstehen – ein Hinweis darauf, dass bereits tiefere Gewebeschichten geschädigt sind.

Ist ein Dekubitus am Po häufig?

Ja, sehr. Das Gesäß und besonders das Steißbein gehören zu den am häufigsten betroffenen Stellen. Hier lastet beim Sitzen oder Liegen ein großer Teil des Körpergewichts auf relativ wenig Weichteilgewebe. Zusätzlich können Feuchtigkeit durch Schwitzen oder Inkontinenz und zu wenig Bewegung das Risiko erhöhen.

Wie lautet die Mehrzahl von Dekubitus?

Die korrekte Mehrzahl lautet Dekubiti – auch wenn der Begriff „Dekubitusstellen“ im Pflegealltag oft gebräuchlicher ist.
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Isabell Jungesblut

EXAMINIERTE GESUNDHEITS- UND KRANKENPFLEGERIN
Als Expertin für Gesundheits- und Krankenpflege bringt Isabell Jungesblut umfangreiche Erfahrungen aus der Akutversorgung aber auch aus der vollstationären Langzeitversorgung mit. Hier im Pflege ABC teilt sie ihr umfangreiches Wissen mit Ihnen, um die Pflege für Sie zu erleichtern.
Bild-Quellen: Header: Foto von freepik; Bild 1: Foto von freepik; Bild 2:  Foto von freepik

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