Das Bobath-Konzept: Definition, Therapie & Ziele

Isabell Jungesblut

Das Bobath-Konzept: Definition, Therapie & Ziele

Isabell Jungesblut
Vielleicht kümmern Sie sich gerade um einen geliebten Menschen, der nach einem Schlaganfall, bei Parkinson oder mit einer anderen Erkrankung des zentralen Nervensystems lebt. Möglicherweise fragen Sie sich, wie Sie im Alltag bestmöglich helfen können – ohne die betroffene Person zu überfordern. Gleichzeitig wünschen Sie sich vielleicht, dass Bewegungen wieder besser gelingen und möglichst viel Selbstständigkeit erhalten bleibt.

Hier kommt das Bobath-Konzept ins Spiel – ein bewährter Ansatz, der genau da ansetzt: im Alltag, mit kleinen, Schritten und viel Verständnis für das, was möglich ist. In diesem Artikel erfahren Sie was genau hinter dem Bobath-Konzept steckt, wie es in der Pflege angewendet wird und wie Sie es auch zu Hause einsetzen können.

Was ist das Bobath-Konzept?

Beim Bobath-Konzept werden einige Übungen eingebunden.
Das Bobath-Konzept ist kein starres Schema, sondern ein flexibler, ganzheitlicher Weg, der sich an den Menschen anpasst – nicht umgekehrt. Es wurde 1943 von Berta und Karl Bobath entwickelt. Sie war Physiotherapeutin und er Neurologe – gemeinsam legten sie den Grundstein für eine Therapie, die bis heute bewegt.

Das Ziel war und ist, Menschen mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems zu begleiten – etwa nach einem Schlaganfall, bei Multipler Sklerose, Parkinson oder bei Entwicklungsstörungen im Kindesalter.

Ziele des Bobath-Konzepts

Das Bobath-Konzept verfolgt ein zentrales Ziel: Fähigkeiten zurückzugewinnen oder neue Wege zu finden, um den Alltag bestmöglich zu meistern. Die Maßnahmen sind alltagsnah, individuell angepasst und immer auf die Möglichkeiten der betroffenen Person ausgerichtet.

Die wichtigsten Ziele im Überblick

  • Wiedererlernen verlorener motorischer Fähigkeiten und Förderung der Selbstständigkeit

  • Verbesserung der Körperwahrnehmung, z. B. durch gezielte Berührungen und Bewegungsanreize

  • Unterstützung alltagsbezogener Bewegungen – wie Drehen, Greifen oder Aufstehen

  • Hemmung von Spastiken (Verkrampfungen) durch sanfte, geführte Bewegungen

  • Vermeidung von Fehlhaltungen und Kontrakturen (Versteifungen)

  • Entwicklung eines Gefühls für die Körpermitte und Verbesserung der Körpersymmetrie

  • Bessere Koordination zwischen eingeschränkter und gesunder Körperseite

  • Mehr Sicherheit im Alltag und gesteigertes Wohlbefinden

Wie funktioniert das Bobath-Konzept/die Bobath-Therapie?

Bewegungsförderung ist Teil der Bobath-Therapie.
Vielleicht fragen Sie sich, was genau hinter dem Bobath-Konzept oder der Bobath-Therapie steckt – und ob das nicht eher etwas für die Physiotherapie-Praxis ist. Tatsächlich geht es aber um viel mehr: um ein ganzheitliches Konzept, das sich durch Pflege, Therapie und Alltag zieht.

Drei Leitgedanken stehen dabei im Mittelpunkt:

  1. die enge Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen

  2. die individuelle Anpassung an die betroffene Person

  3. der Alltag als zentrales Übungsfeld.

Bewegungsförderung findet somit nicht isoliert, sondern mitten im Alltag statt – zum Beispiel beim Waschen, Aufstehen oder Umlagern. Die Therapie nutzt die Lernfähigkeit des Gehirns und setzt genau dort an, wo Bewegung gebraucht wird.

Pflege, Therapie und Alltag greifen ineinander, um Selbstständigkeit zu fördern und vorhandene Fähigkeiten zu stärken. Dabei zählt nicht die Einschränkung, sondern das Potenzial – und auch Sie als Angehörige oder Angehöriger können ein wichtiger Teil dieses Prozesses sein.

Bobath-Konzept in der Pflege: Wichtige Anwendungen

Wenn Sie zu Hause pflegen, wissen Sie: Viele alltägliche Handgriffe – das Waschen, Umlagern oder Aufstehen – sind mehr als reine Pflege. Sie sind auch eine Chance, die Wahrnehmung zu fördern, Bewegungen anzuregen und die Selbstständigkeit zu erhalten.
Genau hier setzt das Bobath-Konzept an – mit einfachen, aber wirkungsvollen Anwendungen in der täglichen Pflege. 

Die Bobath-Waschung: Pflegen mit Gefühl

Bei der Bobath-Waschung geht es nicht nur um Sauberkeit, sondern vor allem um Körperwahrnehmung. Die Pflege wird ganz bewusst durchgeführt:

  • mit klaren, gleichmäßigen Bewegungen

  • in einer bestimmten Reihenfolge

  • und mit sanftem, aber bestimmtem Druck

So wird die betroffene Person angeregt, ihren Körper besser zu spüren. Gerade nach einem Schlaganfall oder bei halbseitiger Lähmung kann das helfen, das „vergessene“ Körperteil wieder ins Bewusstsein zu bringen.

Lagerung nach Bobath: Spastiken entgegenwirken

Wer lange liegt oder sich nur eingeschränkt bewegen kann, läuft Gefahr, Fehlhaltungen oder Spastiken zu entwickeln. Die Bobath-Lagerung zielt darauf ab, genau das zu verhindern:

  • Der Körper wird achtsam und in funktionellen Positionen gelagert

  • Die betroffenen Körperteile werden entlastet, aber nicht „ausgeschaltet“

  • Auch hier steht die Wahrnehmung im Mittelpunkt – nichts soll taub oder „fremd“ wirken

Diese Lagerung erfordert zwar etwas Übung, zeigt aber oft schnell Wirkung: Der Körper entspannt sich, die Spastik lässt nach, die Beweglichkeit bleibt erhalten.

Mobilisation nach Bobath: Bewegung im Alltag

Die Bobath-Mobilisation bedeutet: Nicht einfach nur aufstehen oder umgesetzt werden – sondern gemeinsam Bewegung erleben.

Das kann heißen:
  • selbst ein Stück aus dem Bett mithelfen

  • sich aufstützen, statt gezogen zu werden

  • einen Arm beim Aufstehen bewusst mitnehmen
Person macht praktische Übungen nach dem Bobath Prinzip

Praktische Übungen für den Alltag können zum Beispiel sein:
  • Im Sitzen vor- und zurückschaukeln, um das Gleichgewicht zu trainieren

  • Mit den Füßen abrollen, während man auf der Bettkante sitzt

  • Einen Gegenstand vom Tisch zur Körpermitte führen, zum Beispiel einen Ball oder Becher

  • Die Hände falten und beide Arme gemeinsam heben, um die betroffene Seite mit einzubeziehen

  • Beim Aufstehen bewusst das Gewicht auf beide Füße verlagern

Wichtig: Diese Übungen sind nur Beispiele. Was sinnvoll ist, hängt immer von der individuellen Situation der betroffenen Person ab. Am besten besprechen Sie mögliche Übungen mit einer Physiotherapeut:in oder einer Pflegefachkraft mit Bobath-Erfahrung.

Mein Tipp an Sie: Sie möchten mehr zur Pflege bei einer halbseitigen Lähmung erfahren? Im Kurs „Körperpflege und Hygiene“ finden Sie dazu ein anschauliches Video mit vielen praktischen Hinweisen.

Bobath-Konzept in der Praxis: Nach einem Schlaganfall und bei Kindern

Das Bobath-Konzept kommt in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen zum Einsatz – zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder bei kindlichen Bewegungsstörungen, sowie Entwicklungsbeeinträchtigungen oder andere neurologische und neuromuskulären Erkrankungen. 

Nach einem Schlaganfall kann es zu Lähmungen, Koordinationsstörungen oder einer veränderten Körperwahrnehmung kommen. Hier kommt das Bobath-Konzept zum Einsatz. Ziel ist es, Bewegungen neu zu erlernen, Fehlhaltungen zu vermeiden und möglichst früh mit der Förderung zu beginnen – oft schon direkt in der Frührehabilitation. Die betroffene Körperhälfte wird aktiv einbezogen, der Alltag wird zum Übungsfeld, und die Selbstständigkeit steht im Mittelpunkt. Auch zu Hause kann die Bobath-Therapie sinnvoll weitergeführt werden – etwa durch kleine Übungen, gezielte Lagerung oder achtsame Pflege.

Auch bei Kindern mit frühkindlichen Bewegungsstörungen, wie zum Beispiel bei Zerebralparese oder Entwicklungsverzögerungen, ist das Konzept sehr hilfreich. Hier profitieren Kinder besonders von der spielerischen, alltagsnahen Herangehensweise. Die Förderung wird ganz natürlich in den Alltag eingebunden – beim Anziehen, Spielen oder Füttern. Wichtig ist dabei auch die enge Zusammenarbeit mit den Eltern: Sie lernen, wie sie ihr Kind gezielt unterstützen können, ohne es zu überfordern. Und immer mit Blick auf das, was gerade möglich ist.

Fazit: Warum das Bobath-Konzept so wertvoll ist

Pflege und Begleitung nach einem Schlaganfall oder bei anderen Erkrankung des zentralen Nervensystems stellen Angehörige vor viele Herausforderungen. Das Bobath-Konzept bietet hier eine wunderbare Möglichkeit, die betroffene Person gezielt zu unterstützen. Und zwar ganz alltagsnah, individuell und mit Blick auf die eigenen Stärken.

Was das Konzept so besonders macht:

  • Es ist ganzheitlich – Körper, Wahrnehmung, Bewegung und Alltag werden miteinander verbunden.

  • Es wirkt langfristig – denn es geht nicht um schnelle Erfolge, sondern um nachhaltige Entwicklung.

  • Es passt sich an – an jeden Menschen, jede Lebenssituation und jeden Fortschritt.

Ob in der Therapie, der Pflege oder im häuslichen Alltag: Das Bobath-Konzept gibt Orientierung und Möglichkeiten, um Schritt für Schritt mehr Beweglichkeit und Selbstständigkeit zu fördern. Und genau das macht es für Sie als pflegende Angehörige so wertvoll.

💜-liche Grüße 

Ihre Isabell Jungesblut

Hat der Artikel Ihre Erwartungen erfüllt? Haben Sie Fehler gefunden? Jetzt melden!

Das Baboth-Konzept: Häufig gestellte Fragen

Für wen ist das Bobath-Konzept geeignet?

Für Menschen mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems – zum Beispiel nach einem Schlaganfall, bei Multipler Sklerose oder Parkinson. Auch bei Kindern mit frühkindlichen Entwicklungsstörungen kann das Konzept hilfreich sein.

Was ist das Ziel der Bobath-Therapie?

Ziel ist es, die Bewegungsfähigkeit zu fördern, Spastiken vorzubeugen und die Selbstständigkeit im Alltag zu stärken. Und zwar individuell angepasst und vor allem alltagsnah.

Kann ich auch zu Hause etwas tun?

Ja. Schon kleine Bewegungsimpulse im Alltag können viel bewirken, zum Beispiel durch bewusstes Umlagern, gemeinsames Anziehen oder das Einbeziehen der betroffenen Körperseite in alltägliche Abläufe. Entscheidend ist, dass Bewegung nicht zusätzlich „trainiert“, sondern bewusst in den Alltag eingebunden wird. 

Brauche ich dafür Fachwissen?

Pflegende Angehörige benötigen kein medizinisches Fachwissen, um grundlegende Prinzipien des Bobath-Konzepts im Alltag anzuwenden. Voraussetzung ist jedoch, dass sie von Fachkräften angeleitet werden.

Wie sieht Bobath in der Pflege aus?

Zum Beispiel durch gezielte Waschung, Lagerung und Mobilisation – immer mit Blick auf Wahrnehmung und Bewegung.
Zur Autorin

Isabell Jungesblut

EXAMINIERTE GESUNDHEITS- UND KRANKENPFLEGERIN
Als Expertin für Gesundheits- und Krankenpflege bringt Isabell Jungesblut umfangreiche Erfahrungen aus der Akutversorgung aber auch aus der vollstationären Langzeitversorgung mit. Hier im Pflege ABC teilt sie ihr umfangreiches Wissen mit Ihnen, um die Pflege für Sie zu erleichtern.
Bild-Quellen: Header: Foto von freepik; Bild 1: Foto von freepik; Bild 2: Foto von freepik; Bild 3: Foto von freepik

Zum Newsletter anmelden

Erhalten Sie regelmäßig kostenlose Updates.
Vielen Dank.
Wir haben Ihnen eine Mail geschickt. Bitte bestätigen Sie den enthaltenen Link.