Pflege bei Krebs: Pflegegrad, Ansprüche & Co.

Isabell Jungesblut

Pflege bei Krebs: Pflegegrad, Ansprüche & Co.

Isabell Jungesblut
Eine Krebsdiagnose stellt das Leben der Betroffenen komplett auf den Kopf – und auch das ihrer Angehörigen. Plötzlich ist alles anders: Arzttermine, Therapien, Nebenwirkungen und die große Unsicherheit, wie es weitergeht. Viele Angehörige springen sofort ein, begleiten zu Untersuchungen, helfen im Alltag oder übernehmen ganz selbstverständlich Pflegeaufgaben. Doch was viele nicht wissen: Auch im Falle einer Krebserkrankung kann ein offizieller Pflegebedarf festgestellt werden – etwa durch die Einstufung in einen Pflegegrad.

Egal ob Partner oder Partnerin, Eltern, Kinder oder enge Freunde – wer im häuslichen Umfeld mithilft, übernimmt oft sehr viel Verantwortung. Umso wichtiger ist es, zu wissen: Sie sind nicht allein. Es gibt Hilfen, Ansprüche und Wege, um die Pflege bei einer Krebserkrankung gut zu organisieren – für die erkrankte Person und für Sie selbst.

Kann man bei Krebs einen Pflegegrad beantragen?

Dame mit Krebserkrankung beantragt einen Pflegegrad
Viele Angehörige fragen sich: „Gibt es bei Krebs eigentlich eine Pflegestufe?“ Die kurze Antwort lautet: Ja – aber heute heißt das offiziell Pflegegrad. Die früheren Pflegestufen wurden 2017 durch das neue System der fünf Pflegegrade ersetzt. Es berücksichtigt nicht nur körperliche Einschränkungen, sondern auch psychische Belastungen und den tatsächlichen Unterstützungsbedarf im Alltag – und das ist gerade bei einer Krebserkrankung oft sehr wichtig.
Ein Pflegegrad kann sinnvoll sein, wenn eine Person mit Krebs im Alltag dauerhaft Unterstützung braucht – zum Beispiel beim Anziehen, bei der Körperpflege oder beim Einnehmen von Medikamenten. In solchen Fällen lohnt es sich, einen Antrag zu stellen.
Der Pflegegrad wird nach einem Begutachtungssystem des Medizinischen Dienstes (MD) bestimmt. Dabei wird die Selbstständigkeit in sechs Bereichen beurteilt – etwa Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhalten und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Umgang mit krankheitsbedingten Anforderungen und die Gestaltung des Alltagslebens.

Wie stark jemand in seiner Selbstständigkeit eingeschränkt ist, entscheidet über die Anzahl der Punkte – und diese Punkte führen zum entsprechenden Pflegegrad. Die fünf Pflegegrade zeigen, wie hoch der Unterstützungsbedarf ist – von gering bis sehr hoch. Beantragt wird die Einstufung in einen Pflegegrad bei der Pflegekasse. Ein formloses Schreiben, ein Online-Antrag oder ein Anruf bei der Pflegekasse genügt. Alles rund um den Antrag erfahren Sie hier.

Onkologische Pflege & pflegerische Maßnahmen bei Chemotherapie

Die onkologische Pflege richtet sich speziell an Menschen mit einer Krebserkrankung – ob zu Hause, im Krankenhaus oder durch ambulante Dienste. Sie umfasst nicht nur die medizinisch-pflegerische Versorgung, sondern auch emotionale Begleitung und praktische Unterstützung im Alltag. Gerade während einer Chemotherapie treten häufig Nebenwirkungen auf, die die Selbstständigkeit der betroffenen Person stark einschränken können. 

Zu den Nebenwirkungen gehören unter anderem:
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Hautveränderung
  • Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue)
  • Störungen im Verdauungstrakt
  • Schmerzen
  • Erhöhte Infektionsgefahr, z. B. durch ein geschwächtes Immunsystem
  • Haarausfall

In dieser Phase sind gezielte pflegerische Maßnahmen besonders wichtig –  auch in der häuslichen Pflege. Dazu zählen:

  • Hygiene: Krebspatienten haben durch die Erkrankung oder Therapie oft ein geschwächtes Immunsystem. Deshalb sind gründliches Händewaschen, eine saubere Umgebung, eigene Handtücher, gegebenenfalls das Tragen eines Mundschutzes bei Besuch sowie ein gezielter Einsatz von Desinfektionsmitteln im Alltag besonders wichtig.

  • Hautpflege: Ebenso haben Krebspatienten ein erhöhtes Risiko für Hautprobleme – vor allem durch die Nebenwirkungen von Chemotherapie, Bestrahlung oder immunmodulierenden Therapien. Die Haut kann empfindlicher, trockener oder gereizter sein und neigt häufiger zu Rötungen, Juckreiz, Rissen oder sogar kleinen Wunden. Auch Sonnenlicht kann stärker schaden als üblich. Schonende Hautpflege spielt daher eine zentrale Rolle, um Beschwerden zu lindern, Infektionen vorzubeugen und das Wohlbefinden zu verbessern. 

  • Ernährung: Eine ausreichende Ernährung ist für Krebspatienten besonders wichtig, da sie ein erhöhtes Risiko für Mangelernährung haben – verursacht durch die Erkrankung selbst, durch therapiebedingte Nebenwirkungen wie Übelkeit, Appetitlosigkeit oder veränderten Geschmackssinn, aber auch durch Schluckbeschwerden. Schon ein geringer Gewichtsverlust kann sich negativ auf die Therapie, das Wohlbefinden und die körperliche Kraft auswirken. Deshalb sind kleine, gut verträgliche und nährstoffreiche Mahlzeiten sowie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr essenziell. 

  • Schmerzmanagement: Eine wirksame Schmerzbehandlung ist für Menschen mit Krebs ein zentraler Bestandteil der Pflege. Wichtig ist, die regelmäßige Einnahme der verordneten Medikamente im Blick zu behalten und Schmerzen oder andere Beschwerden ernst zu nehmen. Nur so kann die Lebensqualität verbessert und eine möglichst gute körperliche und seelische Stabilität erreicht werden. Eine enge Zusammenarbeit mit Ärzten, Schmerztherapeuten und Pflegekräften ist dabei besonders hilfreich.

Auch kleine Alltagshilfen können viel bewirken: zum Beispiel bequeme Kleidung, ein geregelter Tagesablauf, Ruhepausen, frische Luft oder das Anpassen der Wohnung , etwa durch Sitzgelegenheiten im Bad. Für Angehörige ist es hilfreich, regelmäßig Rücksprache mit Ärzten oder Pflegefachpersonen zu halten und sich nicht davor zu scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen – sei es durch einen ambulanten Pflegedienst, eine onkologische Pflegeberatung oder Selbsthilfegruppen.

Chemotherapie und häusliche Pflege gut organisieren

Bei Krebs fallen in der häuslichen Pflege viele Aufgaben an
Eine Chemotherapie ist körperlich und seelisch belastend – für die erkrankte Person und auch für Angehörige. Viele fragen sich: Was lässt sich zu Hause gut abdecken – und wann braucht es professionelle Unterstützung?
Zu Hause ist vieles möglich: Begleitung zu Terminen, Hilfe bei der Körperpflege, Unterstützung beim Essen, Ruhepausen und emotionale Zuwendung. Doch je nach Verlauf und Nebenwirkungen der Therapie kann die Pflege schnell an Grenzen stoßen. Hier ist es wichtig, frühzeitig Unterstützung zu organisieren.
Eine enge Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten oder spezialisierten Fachkräften aus der Onkologie kann entlasten – etwa wenn es um die Wundversorgung, Medikamentengabe oder Beratung zur Ernährung geht.

Wenn die Beschwerden zunehmen oder die Erkrankung fortschreitet, kann auch die Palliativpflege oder spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) helfen. Sie sorgt dafür, dass Schmerzen und Symptome gelindert werden – und dass die Lebensqualität möglichst lange erhalten bleibt, auch im häuslichen Umfeld.
Darüber hinaus ist auch im privaten Umfeld eine gute Organisation entscheidend.

Eine kleine Checkliste für Angehörige kann helfen:

  • Wer übernimmt welche Aufgaben im Alltag – Pflege, Haushalt, Fahrdienste?

  • Wie kann die Kommunikation im Familienkreis offen und verlässlich gestaltet werden?

  • Was sollte mit Fachpersonal abgesprochen oder dokumentiert werden (z. B. Medikamentenpläne, Beobachtungen)?

  • Und nicht zuletzt: Wo liegen meine persönlichen Grenzen? Wer kann zusätzlich unterstützen – Nachbarn, Freunde, Dienste?

Für den Alltag kann eine klare Tagesstruktur sehr entlastend sein – mit festen Ruhephasen, kleinen Aktivitätsfenstern, regelmäßigen Mahlzeiten und viel Raum für Pausen. Auch Rituale wie ein kurzer Spaziergang, das gemeinsame Frühstück oder ein ruhiger Abendfilm können Halt geben und Orientierung schaffen.

Haushaltshilfe und Entlastung – was Angehörige wissen sollten

Wenn eine Krebserkrankung den Alltag stark einschränkt, wird der Haushalt schnell zur zusätzlichen Belastung. Kochen, Putzen, Einkaufen – all das kostet Kraft, die oft nicht mehr da ist. Zum Glück gibt es Möglichkeiten, sich gezielt entlasten zu lassen.

Eine Haushaltshilfe kann bei der Krankenkasse beantragt werden, wenn die erkrankte Person den Haushalt vorübergehend nicht selbst führen kann – etwa während einer Chemotherapie oder nach einem Krankenhausaufenthalt. Voraussetzung: Im Haushalt lebt keine andere Person, die das übernehmen kann. Der Antrag sollte möglichst früh gestellt und ärztlich bescheinigt werden.

Wer zusätzlich einen Pflegegrad hat, kann auch die sogenannten Entlastungsleistungen in Höhe von 131 Euro im Monat nutzen – zum Beispiel für Hilfe im Haushalt, Betreuung oder Unterstützung durch anerkannte Dienstleister.

Außerdem gibt es, sofern ein Pflegegrad vorhanden ist,  weitere Angebote, die Angehörige spürbar entlasten:

Wichtig ist: Hilfe zu holen ist keine Schwäche – sondern eine wichtige Voraussetzung, damit Pflege zu Hause gut gelingen kann.
Bei Krebs kann Ihnen eine Haushaltshilfe zustehen

Onkologische Pflegeberatung: Ein wichtiger Anker

Eine schwere Erkrankung wie Krebs wirft viele Fragen auf – medizinische, pflegerische und ganz praktische. Genau hier setzt die onkologische Pflegeberatung an. Sie bietet individuelle Unterstützung für Betroffene und Angehörige: von der Planung der häuslichen Versorgung über Informationen zu Hilfsmitteln bis hin zu Tipps im Umgang mit Nebenwirkungen und seelischer Belastung.
Die Beratung kann durch speziell geschulte Pflegefachpersonen erfolgen – entweder als Teil der gesetzlich vorgesehenen Pflegeberatung nach §37.3 SGB XI, wenn bereits ein Pflegegrad vorliegt, oder im Rahmen einer Krebsberatungsstelle. Auch viele Kliniken und ambulante Dienste haben Fachkräfte mit onkologischer Zusatzausbildung, die gerne weiterhelfen.

Unterstützung findet man bei:
  • Pflegestützpunkten vor Ort
  • Krankenkassen, die Pflegeberatungen vermitteln
  • Krebsberatungsstellen, oft in Trägerschaft von Sozialverbänden, Kliniken oder der Deutschen Krebshilfe
  • Ambulanten Pflegediensten mit onkologischem Schwerpunkt

Gerade in herausfordernden Phasen kann eine solche Beratung Orientierung geben und ein Gefühl von Sicherheit inmitten der vielen offenen Fragen.

Fazit: Niemand muss das allein schaffen

Die Pflege bei Krebs ist eine herausfordernde Aufgabe – körperlich, emotional und organisatorisch. Viele Angehörige wachsen da ganz selbstverständlich hinein und leisten Tag für Tag Unglaubliches. Doch wichtig ist: Hilfe anzunehmen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Verantwortung – gegenüber der erkrankten Person und sich selbst.

Ob Pflegegrad, Haushaltshilfe, onkologische Pflegeberatung oder ambulante Unterstützung – es gibt viele Wege, Entlastung zu finden. Man muss sie nur kennen und nutzen.
Auch bei uns finden Sie viele weitere Hilfen, die Sie auf diesem Weg begleiten:

  • Mit unserem Pflegegradrechner erhalten Sie eine erste Orientierung, welcher Pflegegrad möglicherweise in Frage kommt. Er hilft Ihnen dabei, die Einschätzung der Selbstständigkeit besser nachzuvollziehen.
  • Unser Online-Antragsservice/Musterschreiben für Anträge: Sie können den Antrag auf einen Pflegegrad ganz bequem stellen – entweder als PDF zum Ausdrucken oder direkt als Onlineantrag mit Versand an die Pflegekasse. Wir stellen Ihnen dafür ein verständliches Musterschreiben zur Verfügung, das Sie direkt nutzen können. 
  • Unsere Online-Kurse bieten Ihnen hilfreiches Wissen und praktische Tipps rund um die Pflege zu Hause. Die Themen reichen von Grundpflege über Kommunikation bis hin zu Selbstfürsorge. Alle Kurse sind für gesetzlich versicherte kostenlos, flexibel abrufbar und lassen sich leicht in Ihren Alltag integrieren.


💜-liche Grüße Ihre 

Isabell Jungesblut

Pflege bei Krebs: Häufig gestellte Fragen

Kann man bei Krebs einen Pflegegrad beantragen?

Ja. Bei einer Krebserkrankung ist ein Pflegegrad möglich, sobald die betroffene Person regelmäßig Hilfe im Alltag braucht – zum Beispiel beim Anziehen, bei der Körperpflege oder bei der Medikamenteneinnahme. Der Antrag erfolgt über die Pflegekasse. Eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst oder Medicproof prüft, wie stark die Selbstständigkeit eingeschränkt ist. Mehr Infos zum Ablauf finden Sie in unserem Beitrag zum Pflegegrad-Antrag.

Welche pflegerischen Maßnahmen sind bei einer Chemotherapie wichtig?

Während einer Chemotherapie sind gezielte pflegerische Maßnahmen entscheidend – etwa eine gute Hygiene, schonende Hautpflege, angepasste Ernährung und Schmerzmanagement. Auch Ruhe, Tagesstruktur und emotionale Unterstützung spielen eine große Rolle. Viele dieser Maßnahmen können Angehörige übernehmen – unterstützt von onkologisch geschultem Pflegepersonal.

Wer hilft bei der Pflegeorganisation zu Hause?

Bei der Organisation der Pflege zu Hause helfen ambulante Pflegedienste, Hausärzte, spezialisierte Pflegeberater oder Pflegestützpunkte. Auch eine onkologische Pflegeberatung kann entlasten. Sie unterstützt bei der Planung, klärt Fragen zur Versorgung und vermittelt weitere Hilfen.

Gibt es bei Krebs Unterstützung im Haushalt?

Ja. Eine Haushaltshilfe kann unter bestimmten Voraussetzungen bei der Krankenkasse beantragt werden, wenn die erkrankte Person den Haushalt nicht mehr selbst führen kann – z. B. während der Chemotherapie. Wer zusätzlich einen Pflegegrad hat, kann außerdem Entlastungsleistungen (aktuell 131 Euro monatlich) für Haushaltshilfen, Betreuungsangebote oder Alltagsunterstützung nutzen.
Zur Autorin

Isabell Jungesblut

EXAMINIERTE GESUNDHEITS- UND KRANKENPFLEGERIN
Als Expertin für Gesundheits- und Krankenpflege bringt Isabell Jungesblut umfangreiche Erfahrungen aus der Akutversorgung aber auch aus der vollstationären Langzeitversorgung mit. Hier im Pflege ABC teilt sie ihr umfangreiches Wissen mit Ihnen, um die Pflege für Sie zu erleichtern.
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